
Auf einen Blick
- Eine MIT-Studie (2025) enthüllt den „GenAI-Divide“: 95 % der Unternehmen erzielen keinen signifikanten ROI aus KI-Investitionen.
- Der Kern des Problems ist der „Learning Gap“: KI-Systeme verstehen den spezifischen Unternehmenskontext nicht und lernen nicht persistent dazu.
- Strukturiertes Prompt Engineering (COMPASS-Methode) ist eine Möglichkeit, diese Lücke zu schließen und Wertschöpfung zu realisieren.
- Executives müssen Governance etablieren, um die Risiken der „Shadow AI Economy“ (Nutzung privater Tools in 90 % der Unternehmen) zu managen.
- Der höchste ROI liegt oft kontraintuitiv im Backoffice (Reduktion von BPO- und Agenturkosten) statt im Front-Office.
In vielen Chefetagen stellt sich eine gewisse Ernüchterung ein. Stellen Sie sich vor: Sie haben signifikant in Lizenzen für ChatGPT Enterprise, Gemini oder Microsoft Copilot investiert. Die Technologie ist ausgerollt, zahlreiche Pilotprojekte laufen. Doch wenn Sie auf die GuV schauen, bleibt der erwartete Quantensprung in der Produktivität aus.
Dieses Szenario ist die Norm, nicht die Ausnahme. Global wurden schätzungsweise 30 bis 40 Milliarden Dollar in Generative KI investiert. Doch eine aktuelle Studie des MIT-Projekts NANDA (Challapally et al., 2025) bringt die Realität auf den Punkt: 95 % der Unternehmen erzielen keinen messbaren Return on Investment (ROI) mit ihren GenAI-Initiativen.
Die Autoren sprechen von einem tiefen „GenAI-Divide“. Damit ist die massive Kluft bei der KI-Wertschöpfung gemeint: Auf der einen Seite stehen 5 % der Unternehmen, die signifikante Millionenwerte realisieren. Auf der anderen Seite die breite Masse, die trotz hoher Adoption in der Pilotphase verharrt, ohne spürbaren Einfluss auf den Gewinn.
Warum diese Kluft? Die Technologie selbst ist selten der limitierende Faktor. Die MIT-Studie identifiziert den sogenannten „Learning Gap“ als Kernbarriere: Die meisten KI-Systeme lernen im Einsatz nicht persistent dazu, speichern kein Feedback und passen sich nicht an spezifische Unternehmenskontexte und Workflows an. Sie vergessen, wer Sie sind und was gestern besprochen wurde.
Für Führungskräfte stellt sich damit eine zentrale Frage: Wie lässt sich diese Kluft überbrücken? Wenn die Maschine nicht lernt, muss der Mensch sie präziser führen. Der Schlüssel liegt in der systematischen Bereitstellung von Kontext – durch strukturiertes Prompt Engineering. Es ist derzeit der wirksamste Hebel, um sicherzustellen, dass Ihr Unternehmen auf der richtigen Seite des GenAI-Divide landet.
Die „Jagged Frontier“ und der „Learning Gap“: Warum Kontext entscheidend ist
Die Erkenntnis, dass die Qualität der Interaktion über den Erfolg von KI entscheidet, ist nicht neu, gewinnt aber durch den GenAI-Divide an Brisanz.
Eine Studie der Harvard Business School und Boston Consulting Group (Dell’Acqua et al., 2023) zeigte bereits eindrücklich das Potenzial von KI in komplexer Wissensarbeit. Consultants mit KI-Zugang waren im Schnitt 25,1 % schneller und erzielten eine um 40 % höhere Qualität.
Die Studie prägte den Begriff der „Jagged Technological Frontier“ (gezackte technologische Grenze). Er beschreibt das Phänomen, dass KI bei manchen Aufgaben übermenschlich gut ist, bei anderen, scheinbar ähnlichen Aufgaben jedoch überraschend scheitert.
Die MIT-NANDA-Studie (2025) liefert eine mögliche Erklärung für dieses Scheitern im Unternehmensalltag: der „Learning Gap“. Die Daten zeigen eine klare Trennlinie im Nutzerverhalten:
- Commodity Tasks: Für einfache Aufgaben (E-Mails formulieren, Texte zusammenfassen) bevorzugen 70 % der Nutzer KI. Der Mehrwert ist hier jedoch oft nur individuell spürbar.
- Strategic Workflows: Für komplexe, geschäftskritische Prozesse vertrauen 90 % weiterhin Menschen – weil der KI das Gedächtnis, das spezifische Kontextbewusstsein und die Anpassungsfähigkeit fehlen.
Prompt Engineering ist die Methodik, um diesen Gap systematisch zu schließen. Es ist die Disziplin, den fehlenden Kontext bei jeder Interaktion so präzise bereitzustellen, dass die KI auch komplexe Aufgaben entlang der „Jagged Frontier“ zuverlässig bearbeiten kann.
Mehr als nur Fragen stellen: Die Notwendigkeit von Struktur
Prompt Engineering wird oft missverstanden als das bloße Eintippen von Fragen. In der Realität ist es die systematische Strukturierung von Anweisungen, um den riesigen Lösungsraum der KI durch klaren Kontext und definierte Leitplanken einzugrenzen. Ein einfaches Beispiel: Strategische Analyse
Ein unspezifischer Prompt führt fast zwangsläufig zu oberflächlichen Ergebnissen, die kaum als Entscheidungsgrundlage dienen können.
Prompt:
Erstelle eine SWOT-Analyse für unser Unternehmen [Name].
Ergebnis:
Liefert generische Punkte, die auf fast jedes Unternehmen der Branche zutreffen könnten (z. B. 'Stärke: Motivierte Mitarbeiter', 'Schwäche: Abhängigkeit von Lieferanten'). Geringer strategischer Wert.
Ein strukturierter Prompt hingegen definiert die Perspektive, liefert relevanten Kontext und fordert ein spezifisches Format.
Prompt:
[MODE] Agiere als erfahrener Strategieberater für den spezialisierten Maschinenbau (DACH). [OBJECTIVE] Erstelle eine SWOT-Analyse für [CONTEXT: Unternehmen X, 500 MA, Fokus: Spezialpumpen. Wir erwägen den Eintritt in den US-Markt vor dem Hintergrund des IRA, bei gleichzeitigen Lieferkettenengpässen (Elektronik)]. [SPECIFICATIONS] Format: Tabelle, 4 Quadranten, je 3-5 Punkte, priorisiert nach strategischer Relevanz.
Ergebnis:
Liefert eine fokussierte Analyse, die spezifische Marktchancen (IRA-Förderungen) und interne Herausforderungen (Elektronik-Sourcing) berücksichtigt. Hoher strategischer Wert als Diskussionsgrundlage.
Um diese Strukturierung systematisch im Unternehmen zu verankern und die Qualität der KI-Interaktionen zu skalieren, hat sich die COMPASS-Methode bewährt. Sie dient als Framework und Checkliste, um alle notwendigen Elemente eines effektiven Prompts zu berücksichtigen.
Die COMPASS-Methode: 7 Elemente für präzise KI-Steuerung
Da aktuelle KI-Modelle oft keinen persistenten Kontext speichern (der „Learning Gap“), müssen wir diesen bei jeder Interaktion systematisch bereitstellen. COMPASS bietet die Struktur dafür. Nutzen Sie die integrierte Checkliste, um die Methode direkt anzuwenden:
C – Context (Kontext bereitstellen)
- Hintergrundinformationen, die Situation, relevante Daten oder Dokumente.
- Grenzt den Fokus der KI ein und verbessert die Relevanz der Antwort auf Ihre spezifische Situation.
- Checkliste & Beispiel:
- Habe ich die Rolle des Nutzers und die aktuelle Herausforderung beschrieben?
- Prompt-Beispiel: Ich bin CFO eines mittelständischen Produktionsunternehmens (50 Mio. Umsatz) und bereite das Q3-Boardmeeting vor. Der Fokus liegt auf Liquiditätssicherung.
O – Objective (Ziel definieren)
- Die spezifische Aufgabe; das gewünschte Endergebnis.
- Sagt der KI präzise, was sie tun soll (z. B. analysieren, zusammenfassen, entwerfen).
- Checkliste & Beispiel:
- Ist das Ziel klar und unmissverständlich formuliert?
- Prompt-Beispiel: Erstelle eine Zusammenfassung der drei wichtigsten finanziellen Risiken basierend auf den aktuellen Marktdaten [Daten hier einfügen].
M – Mode (Experten-Modus: KI-Identität definieren)
- Die Identität, Persona oder Perspektive, die die KI einnehmen soll.
- Formt die Expertise, den Ton und den Blickwinkel der Antwort. Oft der stärkste Hebel für Qualität.
- Checkliste & Beispiel:
- Habe ich der KI eine passende Expertenrolle zugewiesen („Agiere als...“)?
- Prompt-Beispiel: Agiere als erfahrener Risikoanalyst mit Spezialisierung auf Lieferkettenvolatilität.
P – People of Interest (Zielgruppe definieren)
- Für wen ist die Ausgabe bestimmt?
- Beeinflusst die Komplexität, die Sprache (Fachjargon vs. einfach) und den Fokus der Antwort.
- Checkliste & Beispiel:
- Ist klar, wer die Adressaten sind und welches Vorwissen sie haben?
- Prompt-Beispiel: Die Analyse ist für Vorstandsmitglieder ohne tiefen Finanzhintergrund bestimmt.
A – Attitude (Haltung / Tonalität vorgeben)
- Der emotionale Stil oder die Haltung der Antwort.
- Passt die Ausgabe an den Kommunikationskontext an (z. B. formell, kritisch, neutral).
- Checkliste & Beispiel:
- Entspricht die gewünschte Tonalität dem Anlass?
- Prompt-Beispiel: Der Tonfall sollte sachlich, nüchtern und risikobewusst sein.
S – Style (Schreib-Stil vorgeben)
- Spezifische stilistische Richtlinien (Lesbarkeit, Struktur, Sprachstil).
- Gewährleistet Konsistenz (z. B. Corporate Language) und einfache Weiterverarbeitung.
- Checkliste & Beispiel:
- Habe ich Vorgaben zur Struktur und Lesbarkeit gemacht?
- Prompt-Beispiel: Formuliere prägnant (Executive Summary Stil), verwende Stichpunkte und hebe Handlungsempfehlungen fett hervor.
S – Specifications (Spezifikationen vorgeben)
- Klare Rahmenbedingungen, Einschränkungen (Constraints) und positive Vorgaben (Format, Länge, Do's & Don'ts).
- Lenkt die KI in die richtige Richtung und vermeidet unerwünschte Ergebnisse oder Formate.
- Checkliste & Beispiel:
- Sind Format, Länge und andere Constraints klar definiert?
- Prompt-Beispiel: Maximal eine Seite. Präsentiere die Analyse als strukturiertes Memo. Füge eine Tabelle mit konkreten Mitigationen hinzu.
Jenseits der Basis: 5 essenzielle Prompt-Patterns für die Praxis
Die COMPASS-Methode bildet das Fundament. Darauf aufbauend helfen spezifische Muster (Patterns), wiederkehrende Aufgaben effizienter und effektiver zu lösen.
1. Das Strukturierte Briefing (COMPASS-Briefing)
- Zweck: Sicherstellen, dass die KI alle notwendigen Informationen für komplexe Aufgaben hat, indem die COMPASS-Struktur explizit im Prompt genutzt wird.
- Beispiel-Prompt (Strategie-Entwicklung):
Prompt
## CONTEXT Wir sind ein B2B-Softwareanbieter (ERP) im DACH-Raum und planen den Markteintritt in Skandinavien. ## OBJECTIVE Entwurf einer Go-to-Market-Strategie. ## MODE Agiere als erfahrener Business Development Stratege für Enterprise Software. ## PEOPLE Die Inhalte sind für unser Management Board. ## ATTITUDE Realistisch, chancenorientiert, datenbasiert. ## STYLE Strukturiertes Memo. ## SPECIFICATIONS Fokus auf regulatorische Unterschiede und Wettbewerb. Inklusive Zeitplan (12 Monate) und Key-KPIs.
2. Der Experten-Modus (Role-Prompting)
- Zweck: Die KI dazu bringen, aus einer spezifischen fachlichen Perspektive zu agieren, um Tiefe und Relevanz zu erhöhen (Fokus auf 'M' in COMPASS).
- Beispiel-Prompt (Finanzanalyse):
Prompt
## MODE Agiere als CFO eines mittelständischen Produktionsunternehmens. ## OBJECTIVE Bewerte die folgende Investitionsmöglichkeit [Details einfügen] unter Berücksichtigung aktueller Zinsentwicklungen und der EZB-Leitlinien. ## SPECIFICATIONS Fokus: Liquiditätsrisiken und WACC.
3. Die Kritische Prüfung (Red Teaming)
- Zweck: Identifizierung von Schwachstellen, Risiken oder blinden Flecken durch Zuweisung einer kritischen oder antagonistischen Rolle (Fokus auf 'M' und 'A').
- Beispiel-Prompt (Strategie-Sparring):
Prompt
## CONTEXT Analysiere unseren aktuellen Strategieplan [Plan hier einfügen]. ## MODE Agiere als skeptisches Aufsichtsratsmitglied. ## OBJECTIVE Identifiziere die drei größten blinden Flecken und formuliere kritische Fragen, die die Geschäftsführung überzeugend beantworten können muss. ## ATTITUDE Kritisch, prüfend, aber konstruktiv.
4. Die Daten-Synthese (Daten-Extraktion und -Strukturierung)
- Zweck: Umwandlung von unstrukturiertem Text (z. B. Meeting-Transkripte, Berichte) in ein strukturiertes, analysierbares Format (Fokus auf 'O' und 'S').
- Beispiel-Prompt (Meeting-Effizienz):
Prompt
## OBJECTIVE Extrahiere aus dem folgenden Transkript des Strategie-Meetings [Transkript einfügen] alle getroffenen Entscheidungen und zugewiesenen Aufgaben. ## STYLE Strukturiere die Ergebnisse in einer Tabelle mit den Spalten: Thema | Entscheidung | Verantwortliche Person | Deadline.
5. Die Iterative Verfeinerung (Evaluations-Loop)
- Zweck: Systematisches Verbessern eines initialen Ergebnisses durch gezieltes Feedback und Anpassung spezifischer COMPASS-Elemente. KI ist ein Dialogpartner, kein Orakel.
- Beispiel-Prompt (Folge-Prompt):
Prompt
Der erste Entwurf ist eine gute Grundlage. Bitte passe nun folgende Elemente an: Ändere die ATTITUDE zu optimistischer, aber bleibe realistisch bei den Risiken. Erweitere den CONTEXT um den Aspekt der Nachhaltigkeits-Compliance. Der STYLE soll nun als Bericht, nicht als E-Mail, formatiert sein.
Kritische Reflexion: Grenzen und Risiken von Prompt Engineering
Prompt Engineering erhöht die Nützlichkeit und Präzision von KI-Modellen erheblich. Es ist aktuell einer der wichtigsten Hebel zur Überwindung des GenAI-Divide. Dennoch ist Prompting nicht die Lösung für alle Herausforderungen. Inhärente Limitationen der KI-Technologie können nicht vollständig eliminiert werden.
Wo die Grenzen liegen
-
Der „Learning Gap“ bleibt bestehen: Prompt Engineering ist derzeit eine notwendige Brückentechnologie. Wie die MIT-Studie zeigt, lernen die meisten Systeme nicht persistent dazu. Wir schließen den „Learning Gap“ manuell bei jeder Interaktion. Dies ist effizienter als keine Nutzung, ersetzt aber langfristig keine Systeme, die sich eigenständig an den Kontext anpassen (z. B. zukünftige Agentic AI Systeme). Es erfordert kontinuierliche menschliche Intelligenz, um die künstliche Intelligenz zu steuern.
-
Evaluationspflicht und „Halluzinationen“: Sprachmodelle sind darauf trainiert, plausibel klingende Antworten zu generieren, nicht notwendigerweise faktisch korrekte. Sie können sachlich falsche Informationen überzeugend darstellen („Halluzinationen“). Auch ein perfekter Prompt garantiert keine perfekte Antwort. Jedes Ergebnis, das als Grundlage für geschäftskritische Entscheidungen dient, muss von menschlichen Expert:innen validiert werden. Das Prinzip „Human-in-the-Loop“ ist nicht verhandelbar.
-
Bias und Fairness: KI-Modelle lernen aus riesigen Mengen an Daten. Diese Daten enthalten gesellschaftliche Vorurteile (Bias). Prompts müssen sorgfältig formuliert werden, um eine Reproduktion dieser Vorurteile zu minimieren. Die Ergebnisse müssen, insbesondere bei HR- oder kundenbezogenen Anwendungen, streng auf Fairness geprüft werden (vgl. auch OECD, 2024).
Wann Vorsicht geboten ist
Der Einsatz von KI sollte kritisch hinterfragt werden, wenn:
-
Absolute sachliche Richtigkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit existenziell sind (z. B. bei Finanzberichterstattung oder rechtlichen Endgutachten).
-
Aufgaben tiefes, implizites Kontextwissen, ethisches Urteilsvermögen oder zwischenmenschliche Intuition erfordern, die sich nicht vollständig in einem Prompt verbalisieren lassen.
Führungskräfte müssen eine Kultur etablieren, in der diese Grenzen anerkannt und KI als Werkzeug zur Unterstützung – nicht als Ersatz – menschlicher Expertise gesehen wird.
Die Executive-Perspektive: Strategie, Governance und ROI
Für Executives hat die Beherrschung von Frameworks wie COMPASS eine doppelte Relevanz: die eigene Nutzung für strategische Aufgaben (z. B. Nutzung des Red-Teaming-Patterns) und die Verantwortung für die Befähigung der Organisation. Dies erfordert Entscheidungen in vier Kernbereichen.
1. Governance und die „Shadow AI Economy“
Die Dringlichkeit für klare Leitplanken wird durch die MIT NANDA-Studie (2025) massiv unterstrichen: Während nur 40 % der Unternehmen offizielle KI-Lösungen eingeführt haben, nutzen Mitarbeitende aus über 90 % der befragten Unternehmen regelmäßig private KI-Tools für Arbeitsaufgaben.
Diese „Shadow AI Economy“ stellt ein kritisches Risiko für Datenschutz, Compliance und den Schutz von geistigem Eigentum dar. Die Eingabe sensibler Unternehmensdaten in öffentliche Tools ist ein erhebliches Leck.
Executives müssen diesen Wildwuchs dringend kanalisieren:
- Sichere Infrastruktur bereitstellen: Attraktive Enterprise-Lösungen mit garantierten Datenschutzstandards (z. B. Daten werden nicht für Training genutzt) anbieten. Nur wenn diese Tools mindestens so gut und nutzerfreundlich sind wie private Tools, lässt sich Schattennutzung eindämmen.
- Klare Policies definieren: Welche Daten dürfen in welche (geprüften!) Tools?
- Risikomanagement implementieren: Das NIST AI Risk Management Framework (NIST, 2023) bietet hierfür eine international anerkannte Struktur zur Identifizierung und Mitigation von KI-Risiken (inkl. Bias und Halluzinationen).
2. Kultur und Enablement
Die MIT-Studie zeigt auch: Mitarbeitende wissen, wie sich „gute KI“ anfühlt, weil sie leistungsfähige Modelle privat nutzen. Sie sind daher oft unzufrieden mit eingeschränkten Enterprise-Tools, was die Shadow AI weiter befeuert.
Executives müssen diese Lücke durch gezielte Befähigung schließen:
- Kompetenzaufbau priorisieren: Investition in praxisnahe Trainings (z. B. zur COMPASS-Methode), die auf spezifische Rollen (Marketing, Controlling, HR) zugeschnitten sind. Prompt Engineering ist eine Kernkompetenz der Wissensarbeit.
- Prompt-Bibliotheken etablieren: Schaffung zentraler Repositorien für qualitätsgesicherte COMPASS-Prompts für Standardprozesse (z. B. Quartalsberichte, Kunden-Onboarding). Dies skaliert Best Practices.
3. Strategische Ausrichtung (Build vs. Buy)
Sollte man KI-Lösungen intern entwickeln oder einkaufen? Die MIT-Studie liefert hierzu klare Daten: Externe Partnerschaften („Buy“/Partner) sind bei der Skalierung von KI-Piloten oft erfolgreicher (66 % Erfolgsquote bei der Skalierung) als rein interne Entwicklungen („Build“, 33 %).
Dies liegt daran, dass spezialisierte Anbieter vortrainierte Modelle, Standard-Integrationen und Methodenwissen mitbringen. Die unternehmerische Lernkurve ist kürzer. Interne Lösungen hingegen sind oft durch fehlende spezialisierte KI‑Infrastruktur, Datenfragmentierung und Talentlücken gehemmt.
Ein rein dichotomes „Buy statt Build“ greift jedoch zu kurz. Vielmehr ist oft ein hybrider Pfad sinnvoll: Externe Partner bringen initial Geschwindigkeit und Methodik (insbesondere bei Standardprozessen), während intern differenzierende Fähigkeiten (z. B. Nutzung proprietärer Daten, domänenspezifische Anpassungen) entwickelt werden, mit einer klaren Strategie zum Wissenstransfer.
Im Kontext von Agentic AI wird zudem das Zusammenspiel der Tools elementar: Wenn Agenten nicht orchestriert sind, droht Systemfragmentierung. Zukünftige Architekturen müssen sicherstellen, dass Agenten nicht nur autonom, sondern auch kohärent, sicher und „kontextbewusst“ im Gesamtsystem agieren.
4. KPIs und der wahre ROI: Der Blick ins Backoffice
Die MIT NANDA-Forschung (2025) deckt einen signifikanten Investitionsbias auf: Etwa 50 % der GenAI-Budgets fließen aktuell in Sales und Marketing, oft weil dort die Messbarkeit einfacher erscheint oder die Sichtbarkeit höher ist.
Doch die höchsten realisierten ROI-Werte wurden bei den 5 % der erfolgreichen Unternehmen häufig im Backoffice erzielt.
Unternehmen, die den GenAI-Divide überwunden haben, berichten über signifikante Einsparungen durch die Optimierung interner Prozesse:
- Reduzierung von BPO-Ausgaben (Business Process Outsourcing), etwa im Customer Service, der Dokumentenverarbeitung und im Finanzwesen (2–10 Mio. USD jährlich in den untersuchten Fallstudien).
- Senkung von Agenturkosten für Content-Erstellung, Design und Analyse (durchschnittlich ca. 30 %).
Der strategische Fokus sollte daher nicht nur auf sichtbaren Leuchtturmprojekten im Front-Office liegen, sondern gezielt auf der Automatisierung und Effizienzsteigerung von kostenintensiven Backoffice-Prozessen.
Fazit: Kompetenz als Brücke über den Divide
Der „GenAI-Divide“ ist real und tief. Die Kluft zwischen Investition und Wertschöpfung ist enorm. Die zentrale Ursache ist der „Learning Gap“ – das Unvermögen der KI, den Unternehmenskontext zu verstehen und sich daran anzupassen.
Strukturiertes Prompt Engineering, basierend auf Frameworks wie der COMPASS-Methode, ist einer der Hebel, um diese Lücke heute zu schließen. Es transformiert KI von einem unberechenbaren Werkzeug zu einem präzisen strategischen Partner.
Für Führungskräfte bedeutet dies eine klare Agenda: Sie müssen Prompting-Kompetenz als zentrale Säule ihrer KI-Strategie etablieren, die „Shadow AI Economy“ durch intelligente Governance managen und den ROI dort suchen, wo er substanziell ist – oft tief in den Backoffice-Prozessen. Die Unternehmen, die diese Hausaufgaben jetzt systematisch angehen, werden die Wertschöpfung erschließen und den Wettbewerb anführen.
Executive-Agenda: 3 Sofortmaßnahmen
-
Prompting-Selbsttest durchführen (15 Min): Entwickeln Sie gemeinsam mit der KI einen Prompt gemäß der COMPASS-Methode. Ersetzen Sie lediglich die beiden Platzhalter in den geschweiften Klammern durch Ihre spezifischen Informationen und lassen Sie die KI einen besseren Prompt erzeugen. Kopieren Sie im Anschluss den generierten Prompt in eine neue Chat-Anfrage und lassen Sie sich eine strategische Analyse liefern.
Ziel: Eigene Erfahrung mit strukturierter KI-Interaktion sammeln.
Beispiel Promptentwicklung:
PromptNutze das COMPASS-Framework, um einen Prompt zu entwickeln, der die drei wichtigsten strategischen Risiken für meine Branche {Branche} im Jahr 2026 analysiert und konkrete Mitigationen für mein Unternehmen {Profil} als Entscheidungs-Memo ableitet. Recherchiere dafür aktuelle Daten und Trends. COMPASS-FRAMEWORK: ## Context [Unternehmenshintergrund, Branchenposition, Rollenkontext und relevantes Geschäftsumfeld] ## Objective [Spezifisches Ziel mit klaren Erfolgskriterien und erwarteten Ergebnissen] ## Mode [Expertenrolle, Perspektive und Ansatz, den die KI einnehmen soll] ## People of Interest [Zielgruppeneigenschaften, Bedürfnisse, Demografie und Stakeholder-Überlegungen] ## Attitude [Tonfall, Stimme und emotionaler Ansatz für den Inhalt] ## Style [Schreibformat, Struktur, Sprachniveau und Präsentationsstil] ## Specifications [5-7 spezifische Einschränkungen, Anforderungen, Formatbedürfnisse und Erfolgsmetriken]
-
Governance-Check zur Shadow AI beauftragen (Delegieren): Beauftragen Sie IT, HR und Compliance mit einem kurzen Audit zur Nutzung privater KI-Tools.
Ziel: Transparenz über Risiken schaffen und eindämmen.
Fokusfragen: Sind unsere Enterprise-Tools attraktiv genug? Sind die Policies klar kommuniziert und bekannt? Ist die User Experience wettbewerbsfähig? -
ROI-Fokus im Backoffice identifizieren (Meeting): Setzen Sie das Thema „KI-Potenziale jenseits von Sales/Marketing“ auf die Agenda des nächsten Management-Meetings.
Ziel: Konkrete Einsparpotenziale identifizieren.Aufgabe: Identifikation von 2–3 kostenintensiven Prozessen (z. B. in Finance, Procurement, Operations), bei denen durch KI-Einsatz BPO- oder Agenturkosten signifikant gesenkt werden können.
Quellen
- Challapally, A. et al. (2025). The GenAI Divide: State of AI in Business 2025. MIT Project NANDA.
- Dell’Acqua, F. et al. (2023). Navigating the Jagged Technological Frontier: Field Experimental Evidence of the Effects of AI on Knowledge Worker Productivity and Quality. Harvard Business School.
- NIST (National Institute of Standards and Technology). (2023). Artificial Intelligence Risk Management Framework (AI RMF 1.0). U.S. Department of Commerce.
- OECD. (2024). Using AI in the workplace: Opportunities, risks and policy responses. OECD Artificial Intelligence Papers, No. 11, OECD Publishing, Paris.
Weiterführende Ressourcen
- Mollick, E. (2024). Co-Intelligence: Living and Working with AI. Wharton School Press.
- BCG Henderson Institute. (Laufende Analysen zur strategischen Implikation von KI für Unternehmen).
- NIST. (2023). NIST AI RMF Playbook. (Konkrete Handlungsempfehlungen zur Implementierung des Risk Management Frameworks).